Deglobalisierung – Strategie für mehr Resilienz in der Lieferkette der Unternehmen
Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die Schwachstellen globaler Lieferketten schonungslos offengelegt. Unternehmen, die auf den weltweiten Handel angewiesen sind, mussten schmerzlich erfahren, wie anfällig ihre Produktions- und Lieferprozesse für externe Schocks sein können.
Doch es gibt Auswege aus diesem Dilemma. Unter dem Stichwort „Deglobalisierung“ diskutieren Experten verschiedene Strategien, um die Resilienz von Lieferketten zu erhöhen und die Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu reduzieren.
In diesem Video stellen wir Ihnen die drei wichtigsten Ansätze vor: Nearshoring, Reshoring und Friendshoring. Sie erfahren, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Strategie bietet und wie Sie die richtige Wahl für Ihr Unternehmen treffen.
Unter dem Video gibt es ein schriftliches Transkript, für Menschen, die lieber lesen!
Seit dem Ausbruch der Corona Pandemie wird viel über Deglobalisierung gesprochen.
Warum? Weil es während der Pandemie ganz unerwartet zum weltweiten Zusammenbruch der Lieferketten kam.
Deutsche Unternehmen, die z.B. auf Waren oder Rohstoffe aus dem fernen China angewiesen waren, hatten große Probleme, Transporte von China nach Deutschland zu bekommen.
Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben wir ein weiteres – lange ignoriertes – Problem erkannt: es gibt nicht nur logistische Abhängigkeit, sondern auch politische Abhängigkeit.
Wenn eine Firma (oder ein ganzer Staat) in Produktion und Lieferkette von einzelnen Ländern abhängig ist, können politische Krisen zu großen Problemen und Riesenkosten führen.
Siehe zum Beispiel die Abhängigkeit Deutschlands von billiger Energie aus Russland.
Deshalb denken wir jetzt mehr darüber nach, wie wir Lieferketten krisensicher gestalten können.
Was bedeutet „Deglobalisierung“ konkret?
Nun, das Ziel ist, Transportwege für Rohstoffe und Waren so zu verkürzen, und Abhängigkeit von einzelnen Staaten zu verringern.
Dafür gibt es drei große Strategien, die wir jetzt kurz vorstellen.
- Nearshoring
- Reshoring
- Friendshoring
Was ist Nearshoring?
Beim Nearshoring ersetzen wir Lieferanten aus weit entfernten Ländern mit Lieferanten, die näher an Deutschland sind.
Zum Beispiel könnte ein Fahrradhersteller seine Fahrräder statt wie bisher in China in Zukunft in Polen produzieren lassen.
Bei einer neuen globalen Krise wäre es viel einfacher, die Produkte ein paar hundert Kilometer von Polen zu transportieren, als die vollen 8 000 Kilometer von China.
Nearshoring bringt auch Vorteile bei Nachhaltigkeit und Transportkosten.
Vorteile Nearshoring
- Zeitzone ähnlich
- Kulturell ähnlich
- Leichtere Abstimmung
- Kürzere Wege
- Nachhaltigkeit
- Transportkosten
Was ist Reshoring?
Das ist der krasseste Weg der Deglobalisierung.
Von Reshoring sprechen wir, wenn die Produktion wieder komplett nach Deutschland zurückgeholt wird. Das ist also im Grunde das genaue Gegenteil von Globalisierung. Damit hat man dann jeden Aspekt der Produktion wieder in Deutschland unter Kontrolle.
Vorteile des Reshoring nach Deutschland sind besseres Qualitätsmanagement, Nachhaltigkeit, kürzere Lieferketten und die Unterstützung der lokalen Wirtschaft.
Leider bekommt man damit auch alle Nachteile, die der Standort mit sich bringt. Hohe Kosten, Bürokratie und Fachkräftemangel.
Vorteile Reshoring
- Qualitätsmanagement
- Nachhaltigkeit
- kürzere Lieferketten
- Geld wird im Land investiert
- Imagevorteil „Made in Germany“
- einfache Kommunikation
Was ist Friendshoring?
Beim Friendshoring geht es nicht darum, die Entfernung in der Lieferkette zu reduzieren. Es um die Unterscheidung von Freund und Feind.
Genauer gesagt: um die Unterscheidung von demokratischen Staaten und autokratischen Staaten.
Wir haben durch den Ukrainekrieg gelernt, dass die Abhängigkeit von autokratischen Staaten unkontrollierbare Risiken mit sich bringt. Die Loslösung von russischer Energie war und ist richtig teuer.
In Deutschland sind auch etliche Unternehmen stark von China abhängig. Auch hier besteht ein Risiko.
Die Lösung dafür liegt im Friendshoring. Kritische Ressourcen werden von befreundeten Ländern bezogen. Im Jahr 2023 haben wir z.B. ebensoviel Handel mit den USA betrieben wie mit China, nämlich mit beiden Ländern im Wert von ca. 300 Milliarden Euro.
Indem sie in befreundete Länder investieren, diversifizieren deutsche Unternehmen ihre Risiken. In befreundeten Staaten finden Sie meist stabilere politische und wirtschaftliche Bedingungen. Damit bekommen Sie Sicherheit vor geopolitischen Spannungen und Handelskonflikten.
Die Firma Apple hat zum Beispiel einen großen Teil der iPhone Produktion vom autokratischen China ins demokratische Indien verlagert.
Käme es jetzt zum Bruch zwischen China und USA, könnte Apple dennoch in großen Stückzahlen weiter produzieren.
Geopolitisch Verbündete
- EU Länder
- Australien
- Indien
- Japan
- Kanada
- Südkorea
- UK
- USA
Systemische Rivalen
- China
- Iran
- Nordkorea
- Russland
Fazit
Die Deglobalisierung ist also eine Reaktion auf logistische und politische Herausforderungen, in einer Zeit, in der es immer schwieriger wird, die Entwicklung der nächsten Jahre abzuschätzen.
Durch die Verkürzung von Lieferketten, die Stärkung lokaler Wirtschaften und die bewusste Entscheidung für politisch stabile Handelspartner schaffen sich Unternehmen eine neue Resilienz gegenüber diesen globalen Unsicherheiten.
Was ist die richtige Strategie für Ihr Unternehmen?
Das hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von Risiko- und Kostenprofil Ihrer bisherigen Lieferkette. Und von Ihren langfristigen Zielen.
Ein Unternehmen, das sich auf Innovation und Marktführerschaft konzentriert, könnte eher bereit sein, die höheren Kosten für Reshoring nach Deutschland in Kauf zu nehmen.
Ein anderes Unternehmen, das hauptsächlich die Kosten senken will, könnte Nearshoring oder Friendshoring bevorzugen.
Nearshoring und Reshoring bieten geografische Nähe und damit verbundene Vorteile wie die kürzeren Transportwege und die bessere Kontrollmöglichkeit. Friendshoring legt zudem einen Fokus auf politische Stabilität, um die Risiken zu minimieren.